In der Zeit bis zum frühen 19. Jahrhundert war die Schiffelwirtschaft im Gebiet der Eifel ein landschaftsprägendes Element. In manchen Gegenden dieses Mittelgebirges wurde fast die Hälfte der Gesamtfläche als Schiffelland ausgewiesen. Diese Form der Brandwirtschaft ist für die Eifel von entscheidender Bedeutung gewesen. Gleichwohl nimmt die Eifel damit keine Sonderstellung ein, denn Brandwirtschaft wurde in allen europäischen Regionen seit alters her betrieben. „Die Ursache in der Entwicklung der verschiedensten Methoden des Brandfeldbaus ist immer eine Lebensmittelverknappung gewesen, die infolge des Bevölkerungswachstums in Europa gegeben war“ (GOLDAMMER et al. 1997). In überwiegendem Maße ist die Schiffelwirtschaft wohl aus der Rottwirtschaft (Form der Brandwirtschaft auf Waldflächen) entstanden und als Brandwirtschaft auf den Heidflächen betrieben worden.
Im etymologischen Sinne ist der Begriff „schiffeln“ mit unserem heutigen Begriff „schaufeln“ gleichzusetzen (RIEDER 1922, S. 164). „Schiffeln“ bezog sich auf die Betriebsweise, wonach der Rasen mit einer Hacke abgeschält wurde. Dieses Rasenschälen geschah auf den Schiffelparzellen im Abstand von etwa 15-20 Jahren. Die einzelnen Rasenstücke, auch Plaggen genannt, wurden in der Osteifel einfach nur auf die Rasennarbe gelegt, damit sie trocknen konnten. Die Arbeit auf dem Schiffelland fügte sich in den Arbeitskalender der Bauern sehr gut ein. Das Schälen des Rasens erfolgte meist Ende April bis in den Mai hinein. Zu dieser Zeit war die Frühjahrsbestellung der Felder vorüber und die Arbeit auf den Schiffelländereien bot sich als Überbrückung bis zur Heuernte an. Nach dem Abplaggen blieb das Schiffelland so lange unberührt liegen, bis der Zeitpunkt des Brennens kam. Dieser Arbeitsschritt lag zeitlich meist zwischen der Heu- und Getreideernte (RIEDER 1922, S. 165). Kurz vor dem Brennen wurden die trockenen Rasenstücke abgeklopft und mit Reisig zu Haufen von etwa 1,5 m Durchmesser aufgesetzt. Nun wartete man auf einen trockenen und windigen Tag. An solch einem Tag zündete man die Haufen gegen Abend an und ließ sie vollständig verbrennen. Die Rauchschwaden der Schiffelfeuer waren weithin sichtbar und ihr Anblick hinterließ bei vielen Reisenden der damaligen Zeit einen prägenden Eindruck.
Zum Zeitpunkt der Herbstsaat wurde die Asche der Schiffelfeuer zur Düngung auf den Boden gestreut. In das so vorbereitete Feld wurde im ersten Jahr Roggen mit der Hand eingesät und meist flachgründig eingepflügt (RIEDER 1922, S. 165). Die weitere Fruchtfolge richtete sich nach der Güte und Tiefgründigkeit der Schiffelböden. Auf geringwertigen Böden folgte auf den Roggen im zweiten Jahr Hafer. Als abtragende Frucht pflanzte man im dritten Jahr oftmals Buchweizen, der in der Eifel auch den Namen „Heidekorn“ innehat (PAFFEN 1940, S. 194). Nach dem dritten Anbaujahr waren die Böden ausgelaugt, weshalb sie nun wieder der Selbstberasung überlassen wurden.
Auf guten Schiffelböden konnte der Anbau auf bis zu vier Jahre ausgedehnt werden. Hier folgte auf die Roggensaat im ersten Jahr meist Hafer. Im dritten Jahr säte man wieder Roggen und im letzten Jahr Hafer oder den anspruchslosen Buchweizen (RIEDER 1922, S. 168). Nach der Anbauphase ließ man das Schiffelland 15-20 Jahre unberührt. In dieser Zeit diente es als magere Weide für Rinder und Schafe. Wenn die Pflanzendecke ein erneutes Brennen gestattete begann das Schiffeln von Neuem.
Die Schiffelwirtschaft hatte viele Nachteile. Letztlich stellte sie nichts anderes als ein Raubbausystem dar. Durch das Bodenbrennen wurde den Böden die Nährstoffe entzogen. Die Nährstoffe lagen in der Asche zwar in einer Form vor, die die Pflanzen gut verwerten konnten, doch die Nährstoffe konnten in diesem Zustand auch verhältnismäßig schnell ausgewaschen werden. Darüber hinaus lieferten die Schiffelländer auch nur im ersten Jahr einen höheren Ertrag als das Dauerackerland. Schon im zweiten Jahr sank der Ertrag rapide ab, weshalb sich auch ein längerfristiger Anbau auf diesen Parzellen nicht lohnte (PAFFEN 1940 S. 196).
Bei all diesen Nachteilen stellt sich die Frage, warum diese Form der Brandwirtschaft in der Eifel über Jahrhunderte hinweg bestehen konnte. Die Gründe dafür sind in den nicht zu unterschätzenden Vorteilen der Schiffelwirtschaft zu suchen: Durch das Bodenbrennen wurden die in der obersten Bodenschicht vorhandenen Samen- und Wurzelunkräuter vollständig vernichtet. Daneben entledigte man sich durch das Brennen auch direkt der hinderlichen Ginster- und Heidesträucher (RIEDER 1922, S. 164). Die Asche führte dem Boden den notwendigen Dünger in leicht löslicher Form zu, wodurch zumindest im ersten Jahr ein hoher Ertrag erzielt werden konnte. Das Schiffelkorn warf in diesem ersten Jahr eine gute und vor allem sichere Ernte ab. „Wegen seiner Korngröße und seiner Reinheit von Unkrautsamen wurde Schiffelkorn als Saatgut sehr geschätzt und als solches hoch bezahlt“ (RIEDER 1922, S. 167). Auch das Stroh fand dank seiner Stärke und Festigkeit besondere Verwendung. Es wurde beispielsweise zur Herstellung von Matten, Strohdächern und Flechtarbeiten benutzt.
Es würde allerdings zu kurz greifen, wenn man die Berechtigung der Schiffelwirtschaft allein auf diese Gründe zurückführen würde. Das Schiffelland stellte in erster Linie die Existenzabsicherung der Menschen dar. Da die Erträge des Dauerackerlandes nicht ausreichten, war man von der Ernte des Schiffelroggens ganz und gar abhängig (RIEDER 1922, S. 171). Insbesondere für die kleinen Betriebe und ihre Familien war die Schiffelwirtschaft sehr bedeutsam: Das in Gemeindebesitz befindliche Schiffelland ermöglichte ihnen eine Ernte fast ohne jeglichen Kostenaufwand. „Das Rasenschälen erforderte zwar ein erhebliches Maß an menschlicher Arbeit; aber ihr wurde ein besonderes Gewicht nicht beigelegt, weil das Plaggenhauen in einer sonst weniger arbeitsreichen Zeit oder in den Mußestunden geschah. Zudem war die Arbeit ein Faktor, den der kleine Mann an sich selbst hatte“ (RIEDER 1922, S. 171). Die Kosten der Schiffelwirtschaft waren sehr gering, denn auch die Arbeitsgeräte der Bauern konnten in Eigenanfertigung hergestellt werden (RIEDER 1922, S. 178). Lediglich die Arbeit musste geleistet werden. Das System der Schiffelwirtschaft leistete einen Beitrag dazu, die Verteilung der Arbeit zu optimieren. Bei der vorherrschenden Dreifelderwirtschaft mit ihrem einseitigen Körnerbau entstanden zwischen der Frühjahrsbestellung und der Heu- und Getreideernte immer wieder Pausen, in denen kaum Arbeit anfiel. Die Tätigkeit des Schiffelns vermochte diese Arbeitspausen gewinnbringend zu nutzen (RIEDER 1922, S. 178).
Hinzu kam, dass die Schiffelwirtschaft für die frühe Arbeiterklasse eine Art Arbeitslosenversicherung darstellte: Mangels schlechter Verkehrverbindungen war es für die Eifeler Bevölkerung nicht leicht, eine dauernde Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft zu finden und so blieb die Schiffelwirtschaft für die Menschen bis in die 1870er Jahre hinein eine wichtige Nebenbeschäftigung. Die ihnen zugewiesenen Gemeindeschiffellose ermöglichten diesen Familien eine kleine Existenzgrundlage und eine Möglichkeit, die Zeit der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit zu überbrücken (RIEDER 1922, S. 178).
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde in der Eifel an der Schiffelwirtschaft festgehalten. Zu dieser Zeit hatten in anderen Regionen schon neue Techniken und vor allem Chemikalien Einzug in die Landwirtschaft gehalten. Es dauerte lange, bis sich diese Neuerungen auch in der Eifel bemerkbar machten. Der Hauptgrund für diese Verzögerung lag in der schlechten Verkehrserschließung der Region. Zwischen den einzelnen Ortschaften dienten meistens gewöhnliche Feldwege oder gar nur die Flussbetten als Verbindungsstraßen (RIEDER 1922, S. 175). Auch in den Gemarkungen der einzelnen Ortschaften gab es kaum Feldwege, die den Zugang zu den Feldern gewährleisteten. Meist kam man zu den eigenen Feldern nur, indem man direkt über die Felder der anderen Bauern fuhr. Eine Konsequenz dieser Praxis war der Flurzwang: Durch die Untergliederung der Gemarkung in Sommerung, Winterung und Brache konnten Flurschäden durch Befahren der eingesäten Felder verhindert werden.
Die Schiffelwirtschaft darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Rückständigkeit und des Raubbaus an der Natur betrachtet werden. Unter naturräumlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten hatte sie ihren berechtigten Platz im Wirtschaftsleben der Eifeler Bevölkerung. Sie stellte für Jahrhunderte das Optimum der Landnutzung dar. Allein durch den Verbund all dieser Wirtschaftstätigkeiten war überhaupt das Überleben der Bevölkerung zu gewährleisten. Erst die Impulse von außen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts auf die Eifel einwirkten, vermochten dieses Wirtschaftssystem grundlegend zu verändern.
verwendete Literatur:- GOLDAMMER, J. G./ MONTAG, S./PAGE, H. (1997): Nutzung des Feuers in mittel- und nordeuropäischen Landschaften – Geschichte, Methoden, Probleme, Perspektiven.- - PAFFEN, K. (1940):Heidevegetation und Ödlandwirtschaft in der Eifel.- Bonn- RIEDER, J. (1922):Die Schiffelkultur in der Eifel und ihr Rückgang unter dem Einfluss neuzeitlicher Entwicklung.- in: SCHMOLLERS JAHRBUCH (1922).- S. 163-209